Donnerstag, 31. Mai 2007

Offener Brief an den Bürgermeister von Aue / Sachsen

Stefan "Sterni" Mösch M.A.
De Krippelkiefern
Auguststr. 92
10117 Berlin

Herrn Bürgermeister
Heinrich Kohl
Aue/Sachsen

Offener Brief
als Erwiderung auf die "Bekanntmachungen" des Auer Stadtrates sowie des Bekenntnisschreibens des Herrn Bürgermeisters H. Kohl an Ministerpräs. Milbradt, März/Apr. 2007, betreffend den Bau der B 93, veröffentlicht in der Freien Presse und im Wochenspiegel.

Berlin, den 30. Mai 2007,

Werter Herr Bürgermeister Kohl, liebe Stadtratsabgeordnete,

Hiermit möchte ich, Stefan Mösch, Mitglied der Erzgebirgsband "De Krippelkiefern" und Heimatvertriebener, z.Zt. wohnhaft in Berlin-Mitte, öffentlich meine Bestürzung und Empörung über den Beschluß des Stadtrats der Kreisstadt Aue sowie Ihr Schreiben an Ministerpräsident Milbradt vom 17. April 2007 zum Neubau der B 93n kundtun.
Was den Ton dieser Pamphlete betrifft, so kann man diesen nur als schockierend und von antidemokatischen Tendenzen behaftet bezeichnen. Anscheinend haben Sie und einige Ihrer CDU-Kollegen aus der Region Aue-Schwarzenberg noch immer nicht begriffen, daß wir heute in einer "demokratischen Streitkultur" leben, daß Demokratie nur dann existieren kann, wenn bestehende Streitpunkte fair und offen diskutiert werden dürfen. Leider habe ich zudem den Eindruck gewinnen müssen, daß das Bauvorhaben der B 93 durch eine der schönsten uns noch erhalten gebliebenen Naturregionen des oberen Erzgebirges klammheimlich schon seit dem Jahre 2000 betrieben wurde. Die engagierten Bürger des Erzgebirges, die die Zivilcourage besitzen, ihrer staatsbürgerliche Verpflichtung zum Schutz der Heimat wahrzunehmen, werden von Ihnen als ein Grüppchen "Umweltaktivisten" abgetan, das nur "Einzelmeinungen" in den Medien verbreiten würde. Daß Sie ganz offensichtlich den Begriff "Umweltaktivist" mit einem negativen Annotation versehen gebrauchen, mag wohl daher rühren, daß Sie und Ihre Partei, die sich so gerne damit rühmt, eine "christliche Volkspartei" zu sein, in Ihrer westdeutschen Heimat schon so manche Niederlage gegen umweltbewußte Bürger einstecken mußten. Übrigens gehöre ich als Kulturschaffender (noch) keiner Umweltorganisation oder anderen politischen Partei an, genauso wie sehr viele andere Unterstützer der Anti-B93-Initiative, die ich in der Hauptsache als engagierte Christen, Mitglieder des Erzgebirgsvereins, ihre Heimat mit Liebe verbundene Wanderfreunde oder auch wertkonservative (Noch-)CDU-Wähler kennengelernt habe. Daß es auch einige organisierte "Umweltaktivisten" innerhalb der Initiative gibt, dürfte der Sache vermutlich nicht zum Schaden gereichen. Auch diesen möchte ich meinen herzlichen Respekt ausdrücken, den ich Ihnen (und den in Ihrem Schatten versteckt agierenden wirtschaftspolitischen Lobbyisten) leider vorenthalten muß.
Was den von Ihnen so oft zitierten "wirtschaftlicher Nutzen" des B93-Projekts betrifft, so mögen Sie Recht haben. Sie sollten aber nicht vergessen hinzuzfügen, daß 99 % des zu erwartenden Gewinns einer kleiner Gruppe kapitalistischer Unternehmer und Spekulanten zugute käme und nicht der erzgebirgischen Bevölkerung, am allerwenigsten aber den zukünftigen direkten Anliegern ihres kapitalträchtigen Projektes.
Ihrem "destruktiven", auf die Spaltung der erzgebirgischen Bevölkerung ausgerichteten "Bekenntnis" möchte ich einige konstruktive Vorschläge entgegensetzen:
1. Anstatt weitere Trassen durch die sensible Natur des Erzgebirges zu planen, sollte versucht werden, das bereits bestehende Straßen- und Schienennetz so umweltfreundlich wie möglich auszubauen.
2. Daß Schwertransporte aus Umwelt- und Sicherheitsgründen möglichst von der Straße auf die Schiene verlegt werden sollten, darüber herrscht in Politiker- und Wissenschaftskreisen allgemein Konsens. Man denke dabei an die Regelungen den Alpenverkehr betreffend, die keinesfalls von "linken Aktivisten" getroffen wurden.
3. Der Schutz der Natur, dem einzigen unserer Region erhalten gebliebenen "Reichtum", sollte keinesfalls nur als Unkosten verursachender Faktor betrachtet werden. Gerade die Tourismusbranche, die auch für neue Arbeitsplätze für die Erzgebirger sorgen würde, könnte von einer gesunden Natur und einer klugen Umweltpolitik in Zukunft mächtig profitieren.
4. Viel wichtiger als ein weiterer Ausbau des Straßennetzes erscheint mir eine gezielte Förderung des öffentlichen Verkehrswesens. Gerade das Zentrum der Stadt Aue dürfte davon nachhaltig profitieren. Vielleicht könnte in diesem Zusammenhang auch der Bahn geholfen werden, den Auer Bahnhof zu einem tourismusfördernden Objekt umzugestalten. Die toten Fensterhöhlen des Bahnhofsgebäudes stellen m.E. eine sehr schlechte Visitenkarte für eine so ambitionierte Kreisstadt wie Aue dar.
5. Um "Basisdemokratie" nicht zu einem nur noch mißbrauchten politischen Begriff verkommen zu lassen, sollte zum B93-Projekt eine Volksabstimmung abgehalten werden. Dazu ist es aber unbedingt erforderlich, die im Vorfeld begangenen dunklen Machenschaften und evtl. bestehenden mafiösen Strukturen schonungslos aufzudecken.
Eine etwas intime Frage möchte ich an dieser Stelle an Sie, Herr Kohl, noch stellen: Hätten Sie es sich auch in Ihrer westdeutschen Heimat erlauben dürfen, ihrem demokratischen Wählervolk eine solchen Schlag ins Gesicht zu versetzen? Da ich ebenfalls Heimatvertriebener bin, glaube ich, daß ich mich sehr gut in Ihre Lage versetzen kann. Doch genauso, wie ich mein verschuldetes Berlin als zeitweiliges Domizil respektiere und vor ungerechtfertigten Anfechtungen schütze, genauso sollten Sie die Befindlichkeiten des Erzgebirges und seiner Bewohner wertachten und wahren. Eine öffentliche Entschuldigung an Ihre Wähler wäre m.E. der richtige Schritt, um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen.
Noch ein kleiner Ausfall zum Schluß sei mir vergönnt: Leider kann ich das Bestreben der Auer Stadtobrigkeit, ihre Stadt durch allerlei Intrigen zum Sitz eines geplanten Erzgebirgskreises zu machen, ganz und gar nicht unterstützen. Im Gegenteil würde ich eine vorübergehende Aberkennung des Stadtrechts wegen Nichterfüllung des städtischen Mindeststandards vorschlagen, die so lange gelten sollte, bis die infrastrukturellen Anforderungen für ein städtisches Gemeinwesen wieder erfüllt werden. Ich denke dabei insbesondere an das z.Zt. katastrophal organisierte öffentliches Verkehrswesen, das desolate Gesundheitswesen, die destruktive Arbeit einiger Stadtverordneter sowie die depressiv stimmende Arbeitsmarktlage, die viele Bürger zu einer Auswanderung zwingt.
Zudem möchte ich noch einen Alternativvorschlag für die anvisierte Bezeichnung "Städtebund Silberberg" vorschlagen, nämlich: "Schwarzes Tal der Tausend Tränen". Ich stehe natürlich jederzeit gerne dazu bereit, bei der textlichen und musikalischen Erarbeitung der Hymne mitzuwirken.

Mit von Herzen kommenden krikikistischen Grüßen und einem trutzigen Glückauf

Ihr

Stefan "Sterni" Mösch